Adieu Achdorf: Landratsamt wird verlagert
Kreistag beschließt mit großer Mehrheit Neubau für Verwaltung – Kosten 50 Millionen Euro
Von Horst Müller
„Eine weitreichende, zukunftsträchtige und historische Entscheidung“ hat der Kreistag am Montagnachmittag nach den Worten von Landrat Peter Dreier (FW) gefällt: Mit überwältigender Mehrheit beschlossen die Kreisräte, „zur Weiterentwicklung des Krankenhauses Landshut-Achdorf“ das benachbarte Landratsamt komplett zu verlagernund an anderer Stelle neu zu errichten.
„Soweit zweckdienlich“, sollen künftig wieder alle Abteilungen der Kreisverwaltung unter einem Dach untergebracht werden, auch die bestehenden Außenstellen wie das erst kürzlich ausgelagerte Kreisjugendamt. Als weitere Kriterien für die angestrebte Verlagerung hat der Kreistag festgelegt, dass „ein zentraler Standort zu wählen“ und „vorrangig die Möglichkeit eines Neubaus im Landkreis zu untersuchen“ sei: Die Marktgemeinden Altdorf und Essenbach haben bereits ihre Bewerbung abgegeben.
Auf der Basis dieses Grundsatzbeschlusses, dem nach zweieinhalbstündiger Debatte lediglich Christine Huber (ÖDP), Hans Keil (CSU) sowie die FDP-Kreisräte Toni Deller und Markus Sponbrucker ihre Zustimmung verweigerten, sollen nun externe Sachverständige eingeschaltet werden, um „weitere Informationen über ein geeignetes Grundstück, über die konkreten Kosten für ein neues Landratsamt und die Möglichkeiten zur Finanzierung eines Neubaus einzuholen“. Dabei sei „eine nicht zu hohe Belastung der Gemeinden mit Blick auf die Kreisumlage zu beachten“, wie der Beschlusstext lautet. Der Landrat rechnet inklusive Vorlauf-, Planungs- und Bauphase „mit vier bis fünf Jahren bis zur Fertigstellung“. Laut einer ersten Kostenschätzung werden die reinen Baukosten für ein Gebäude mit einer Bruttogeschossfläche von 15000 bis 17000 Quadratmetern auf rund 37,5 Millionen Euro veranschlagt. Die Gesamtausgaben inklusive Planung, Grunderwerb, Parkplätze und etwaiger Preissteigerungen dürften jedoch nach Meinung einiger Kreisräte„irgendwo bei 50 Millionen Euro“ liegen – ein Betrag, der während der Sitzung nicht dementiert wurde. Vielmehr hielten Siegfried Ziegler (CSU) und Hans Weinzierl (FW) sogar „bis zu 60 Millionen Euro“ für nicht unwahrscheinlich. Landrat Dreier erläuterte gestern nochmals die Gründe für die Verlagerung des Landratsamts, die von den Kreisräten in den vergangenen zweieinhalb Monaten bereits ausgiebig in den Fraktionen sowie im Kreisausschuss und im Kreistag erörtert wurden, nachdem ein Standortgutachten zu dem Ergebnis gekommen war, „dass das Landratsamt und das Kreiskrankenhaus in unmittelbarer Nachbarschaft in Achdorf auf Dauer einer zu viel ist“. Der zunehmende Verwaltungsaufwand,
die demografische Entwicklung in der Zuzugsregion Landshut und die beengten räumlichen Verhältnisse im Landratsamt, die in der Vergangenheit schon zu mehreren Auslagerungen führten, ließen keine andere Wahl, zumal auch das Krankenhaus wegen des medizinischen Fortschritts Erweiterungspotenzial benötige. Ferner gelte es die wirtschaftliche Entwicklung und die derzeit günstigen Zinskonditionen im Blick zu haben. Geschäftsleiter Peter Poesze zeigte den Kreisräten mit einer umfangreichen Präsentation auf, dass am bestehenden Areal keine Erweiterungsmöglichkeiten
bestehen.
„Befreiungsschlag wagen“
„Die Entscheidung wurde umfassend vorbereitet, der Druck steigt, wir müssen eine Entscheidung treffen und die Weichen für die Zukunft stellen“, lautete Dreiers Appell, der bei der weitaus überwiegenden Mehrheit auf offene Ohren stieß. Hans Weinzierl (FW) rief seine Kollegen auf, „endlich den Schritt nach vorne zu gehen und den Befreiungsschlag zu wagen“. Die Angelegenheit dulde keinen Zeitverzug mehr, sondern sei entscheidungsreif. „Wir machen nichts verkehrt, wenn wir für ein neues Verwaltungsgebäude stimmen: Es ist notwendig“, sagte Weinzierl. Statt noch mehr Geld für Auslagerungen auszugeben, sollte der Landkreis „lieber in eigene Immobilien investieren“. Gleichwohl müsse man „ganz klar sagen, dass das Geld nicht vom Himmel fällt: Das zahlt der Bürger.“ Weinzierl zufolge wird das neue Landratsamt umgerechnet mit 1,5 bis zwei Prozentpunkten Kreisumlage zu Buche schlagen, was jedoch nicht bedeute, dass deswegen die Kreisumlage um diesen Wert erhöht werden müsse. Grünen-Fraktionschefin Petra Seifert bestätigte, dass die Argumente für einen Neubau „im großen und ganzen schlüssig“ seien. Zusammen mit ihrer Parteifreundin Rosi Steinberger plädierte sie dafür, dass der Standort „gut mit dem ÖPNV zu erreichen“ sein müsse. Ausdrücklich festgehalten wurde diese Forderung jedoch nicht, was der Landrat mit dem Hinweis auf das Kriterium „Erreichbarkeit für alle Landkreisbürger“ begründete.
„Entscheidung überfällig“
Als Verfechter der Verlagerung meldete sich Dreiers Amtsvorgänger Josef Eppeneder (CSU) zu Wort. Diese Entscheidung wäre eigentlich schon während seiner Amtszeit längst überfällig, „wegen der vielen anderen großen Investitionen damals aber nicht möglich“ gewesen. Eppeneder: „An einer Verlagerung kommen wir nicht vorbei“, zumal diese Entscheidung auch ein „klares Bekenntnis zum Krankenhausstandort Achdorf und zur positiven Entwicklung des Lakumed-Stammhauses“ sei. „Das Landratsamt ist das Aushängeschild des Landkreises, es soll eine Einheit darstellen und die Anlaufstelle für alle Bürger sein“. Außerdem sei ein finanzstarker Landkreis wie Landshut in der Lage, einen Neubau innerhalb von zehn Jahren zu finanzieren. Wie Eppeneder machte auch Vizelandrat Fritz Wittmann (FW) die Gegenrechnung auf und gab zu bedenken, dass ohne Neubau weitere Auslagerungen unabwendbar seien, die ebenfalls erhebliche Investitionen nach sich zögen. „Allein mit den jährlichen Mietkosten für das Jugendamt könnten wir die Zinsen für ein 20-Millionen-Darlehen bezahlen“, rechnete Wittmann vor.
Die genannten Baukosten seien „ehrlich“, derzeit könne man noch keine exakteren Zahlen liefern. Toni Deller (FDP) und Hans Bauer (CSU) mahnten indes „mehr Ehrlichkeit“ bei der Finanzierung an. Bauer monierte, dass „ganz locker mit den Millionen umgegangen“ werde und „kein Widerspruch am Vorstandstisch“ bei Beträgen von 50 oder 60 Millionen Euro zu hören gewesen sei: „Das stört mich.“ CSUFraktionskollege Max Wimmer missfiel, dass die aktuelle Niedrigzinsphase als Argument für den Neubau angeführt werde: „Das ist eine Momentaufnahme, das wird nicht so bleiben.“
Auch für CSU-Fraktionschef Daniel Sporer war der Kostenfaktor entscheidend. Dennoch schlug er vor, „den Weg zur Verlagerung des Landratsamts zu gehen: Vieles spricht dafür.“ Bezüglich der Kosten müsse aber mit offenen Karten gespielt werden: „Und da ist es schon ein Unterschied, ob ich über 37, 50 oder 60 Millionen Euro rede.“ Sporer zufolge könnte ein Neubau aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus womöglich finanziert werden, ohne die Kreisumlage anzutasten.
„Kein Luxustempel“
SPD-Fraktionsvorsitzender Sebastian Hutzenthaler bezeichnete die geplante Verlagerung als „Herausforderung für die Infrastruktur unserer Zuzugsregion“. Die Verlagerung sei zwar „nicht alternativlos“, jede andere Lösung bleibe aber weitgehend Stückwerk, das nur für ein paar Jahre Bestand haben werde. „Wir sind in der glücklichen Lage, uns diese Herausforderung leisten zu können“, so Hutzenthaler. Auch für FW-Fraktionssprecher Alfred Holzner war die Zeit reif für eine Entscheidung. „Dass kein Luxustempel gebaut wird, ist selbstverständlich, dafür sitzen hier im Kreistag genug Bürgermeister“, sagte Holzner und konterte damit den Einwand des stellvertretenden Bürgermeistersprechers Franz Göbl (SPD), der kritisiert hatte, dass Holzner in seiner Funktion als Sprecher der Rathauschefs kein Wort zu möglichen Folgen für die Kreisumlage verloren habe: „Wir haben keine Beschlussfassungskompetenz“, entgegnete Holzner: „Wir müssen uns Luft verschaffen am Standort Achdorf, dafür brauchen wir ein neues Landratsamt.“
Nur vier Gegenstimmen
Neben den beiden FDP-Kreisräten Toni Deller und Markus Sponbrucker, die anstelle einer Verlagerung des Landratsamts wiederholt, aber erfolglos den Neubau eines Kreisklinikums gefordert hatten, stimmten gestern auch Hans Keil (CSU) und Christine Huber (ÖDP) mit Nein. Keil fand es zwar anerkennenswert, dass die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter verbessert werden sollen. Seiner Meinung nach ist ein Neubau verzichtbar, wenn mehr Heimarbeitsplätze und Jobsharing-Stellen geschaffen würden: „Das eigentliche Problem ist doch, dass wir zuviel Bürokratie haben, da muss man ansetzen.“
Christine Huber (ÖDP) brachte dagegen eine „teilweise Verlagerung“ des Landratsamts ins Spiel, wie dies etwa im Landkreis Passau der Fall sei. Ferner kritisierte sie die Kosten: „Was kommt auf unsere Kinder zu? Das ist schon sehr heftig, was da veranschlagt wird.“ Zudem werde der Parteiverkehr künftig „überwiegend online“ abgewickelt.

Das Landratsamt, das sich seit 1978 in Achdorf befindet, wird andernorts neu gebaut. (Fotos: mü)

Das weitere Vorgehen steht fest: Achdorf bleibt Krankenhaus-Standort.





